Der Winter im Chlee
Schnee und Eis, spärliche Sonne und heftige Bise.
Nach Weihnachten ist das ChleeAbo jeweils eine kleine Herausforderung für mich. Im Laden animieren prall gefüllte Regale und Markttische mit bunter knackiger Vielfalt zum fröhlichen Einkauf. Ob Januar oder Juni – ist da wirklich ein Unterschied?
In grossen, konstant temperierten Hallen wird Sommer und Winter zwischengelagert. Stromfresser zwar, aber das geht heutzutage anders nicht mehr. In Lieferwagen, Zügen, Flugzeugen und Schiffen verfrachtet, wird die Nahrung tagtäglich weitergereicht. Auch von weither – wo Menschen für wenig Geld geschuftet haben für unser Essen.
So auch unserE ChleeGärtnerIn, was ich mit eigenen Augen sehen kann, Hut ab und Wertschätzung empfinde!
Mein Chleechischtli also: das freudig erwartete wird sich, wie jedes Jahr ab Januar, nicht so farbenfroh und frisch mir zeigen!
Ich sollte es nach mehreren Jahren des Gärtnerns im Chlee wissen, dass sich vieles verbessert hat, was zu verbessern möglich war und weitere Verbesserungen in ständiger Arbeit sind. Aber so einiges leider auch unverrückbar ist!
Zum Beispiel dass hier, am Fuss des Nordhangs, wo im dunkelsten Monat, die Sonne noch eine Stunde am Tag hingelangt, Staunässe und Frost dem schweren Boden zusetzen, dass die Pionierpflanzen, wie z.B. die Quecke, und all die winterfesten Pflänzchen (von denen man sich ja auch ernähren könnte…) auch dieses Jahr als erste ihren Kopf aus dem Boden strecken werden, und wir wie jedes Jahr, uns den Kopf darüber zerbrechen, wie wir ihnen zuvorkommen resp. bei den essbaren, wie wir sie denn kulinarisch verwenden könnten.
Gott sei Dank gibt es Tunnels! Zwar aus Plastik, aber besser als gar nichts.
Dass es – mein Chleechischtli – selbst wenn es winterlich etwas abgemagert daherkommt und ich an Sparen denke – was mir ja beim Anblick des sonstigen Marktangebotes nicht im Traum einfällt – trotz allem das:
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Regionalste und Saisonalste
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Bodenschonendste und Solidarischste
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Transparenteste
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Umweltfreundlichste,
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Gewaltfreieste
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Und daher also das Beste ist, das ich mir wünschen könnte!
Es kommt unverfälscht daher.
Es erinnert mich immer auch an früher, an die Gewohnheiten der Eltern, der Grosseltern, an ihre Traditionen. Denn das habe ich von ihnen gelernt und bin jetzt froh, Sauerkraut und anderes Fermentiertes, eingemachte oder getrocknete Zucchetti und gedörrte Bohnen aus der Chlee-Garten-Ernte zur Ergänzung meines winterlichen Chischtlis im Vorrat zu haben.
Fehlt mir also etwas?
Vielleicht Pastinaken, von denen ich weiss, dass unser Garten sie auch schon in Hülle und Fülle hervorbrachte. Diesmal, so erklärt mir die Gärtnerin, waren sie nicht so keimfreudig. Eine Eigenart dieser Wurzel.
Und so hätte jede Gemüse-Sorte ihre persönliche Geschichte zu erzählen. So man nicht versucht hat, sie von ihrer Eigenwilligkeit abzubringen. Zum Beispiel von der kleingeratenen Sellerieknolle weiss ich, dass die Pflanze mit einem Pilz zu kämpfen hatte und die Wurzel daher zwar klein, aber nicht minder chüschtig gewachsen ist. Natürlich: wäre sie gross geworden würde das mehr Eindruck machen!
Apropos kleingeraten: Wir produzieren ja keinen Food Waste, also wandern auch die kleinsten Rüebli ins Chischtli. Ehrlich gesagt, erst wollte ich die drei Kleinsten kompostieren. Irgendwie brachte ich es nicht übers Herz - oder bin ich vielleicht nur sparsam? Jedenfalls war ihr Aroma die Putzarbeit wert.
Am Äusseren sollte man das Chlee-Chischtli also besser nicht beurteilen. Alles in allem braucht es schon eine Bereitschaft, sich auf Überraschungen einzulassen. Schöne und enttäuschende. Zum Beispiel, dass ein Kohlkopf oder -Köpflein, aussen schön, sich von innen auch mal faulig und ungeniessbar zeigen kann.
Nun könnte man schon fragen, ob die ganze Mühe der GärtnerInnen, die unterstützenden Kräfte und Geldmittel von Seiten der MitgärtnerInnen und weiteren AbonnentInnen, sich lohnt?
Was heisst hier «lohnen»? Den Gärtner-Lohn einbringen? Tatsächlich ist der knauserig, verglichen mit dem, was drin steckt an Arbeit – also eher mit dem Winterchischtli vergleichbar.
Was sich für mich lohnt, ist etwas, das ich nur auf einem Gemüse-Feld in meiner Nähe finde. Ein Feld, das Menschen in verschiedener Hinsicht ernährt, weil sie sich dem, was hier im Boden unser aller Erde geschieht, annähern.
Sehe ich mein Gemüse im Chlee gedeihen, lasse ich mich gerne vom Wunder des Wachstums ergreifen: welch unbeschreibliche Kraft muss hier wirken wollen, damit sich aus einem im Dunkeln ruhenden Samen ein Pflänzchen entwickelt, eine Blüte sich in eine wohlschmeckende Frucht verwandelt.
Ein ganzer Lebenszyklus in nicht einmal vier Jahreszeiten tut sich da vor unseren Augen auf.
Noch ist es Januar und ich übe mich also in Geduld und fühle Vorfreude auf diesen Zauber.
Und dazu freue ich mich auch, im Garten Menschen zu begegnen, die sich von ihrem Gemüse ebenfalls begeistern lassen möchten! Und auf all jene, die noch gar nicht wissen, dass hier auch Gemüse für sie wächst!
Neue MitgärtnerInnen und AbonnentInnen sind immer noch sehr willkommen!